Bildung in Holland – Deutschland in der bildungstechnischen Steinzeit

Im Bereich der digitalen Medien und der Lehrmethoden ist uns das niederländische Bildungssystem weit voraus. Mit besser finanzierten, effizienter organisierten Schulen und entsprechend moderner technischer Ausstattung zählt es zu den erfolgreichsten der Welt.

Unterm Strich sind holländische Grund- und Sekundarschulen besser finanziert, als deutsche Schulen (die Gründe wurden in Teil 1 dieses Artikels dargestellt). Weiterhin gilt: Lehrmittel (u.a. Bücher) müssen grundsätzlich von den Eltern gezahlt werden. Das Ergebnis ist, dass in Deutschland die Kreidetafel noch zur Standardausrüstung des Klassenraums gehört, während man das in Holland praktisch nur noch in der Museumsschule des Zuiderzeemuseums in Enkhuizen findet. Smartboards sind Standardausstattung und immer mehr Schulen arbeiten nur noch mit iPads statt gedruckter Bücher. Das geht gut und bringt auch was, weil die interaktiven Inhalte von den Bildungsverlagen längst schon entwickelt sind und aktiv vermarktet werden.

Alte Kreidetafel vs. SmartboardNur Länder wie Schweden, Estland und Lettland sind im Bereich der digital Infrastruktur noch weiter als Holland: Dort ist die iPad-Ausstattung an den Schulen nämlich bereits flächendeckend. Zum Vergleich: Nur in 0,5% der deutschen Schulen gibt es Unterricht mit iPads (vgl. FAZ.net vom 10.2.2015). Dabei bieten interaktive Medien natürlich erhebliche Vorteile – denn das Gehirn lernt ja anhand von Bildern und Videos erwiesenermaßen viel schneller. Und wenn die Möglichkeiten der modernen Medien pädagogisch und didaktisch sinnvoll eingesetzt werden – wofür der Wettbewerb der holländischen Bildungsverlage sorgt – werden wir in Deutschland abgehängt. Selbst Schwellenländer wie die Türkei und Thailand sind weiter als wir.
Natürlich ändern sich mit diesen neuen Medien auch die Bezahlmethoden: Bisher verkauften die Bildungsverlage den Schulen die »Methoden«, in der Praxis also Klassensätze von Büchern, Übungsheften, Lehr- und Lernhilfen. Nun werden hingegen Zugriffs-Lizenzen für einen bestimmten Zeitraum direkt vom Verlag als Schullizenz (abhängig von der Gesamtanzahl der Schüler der Schule) oder als Gruppenlizenz (n Schüler in der Jahrgangsstufe xy) vermietet – mit immer weniger Beteiligung des Buchhandels und mit dramatischen Veränderungen für die Provisionierung der Vertriebsmitarbeiter und für die Honorarabrechnung gegenüber den Autoren.

Wer gegenüber digitalen Lehrmitteln skeptisch ist, möge sich einmal mit den PISA-Ergebnissen von Holland beschäftigen – diese liegen seit Jahren weltweit bei den Top 10, fast immer sogar unter den Top 3 der Welt. Das Ganze ist auch höchst sozial, denn die Niederlande sind in Europa das Land, das bei den ärmsten Bevölkerungsschichten die besten Lernerfolge erzielt und damit ein Vorbild für soziale Chancengleichheit ist.

Damit es funktioniert, müssen die digitalen Lehrmittel natürlich professionell gemacht sein. Das holländische Bildungssystem fördert dabei den Wettbewerb zwischen den Bildungsverlagen und liefert statistisch valide Messwerte über die Lernerfolge, so dass Eltern und Schulen die Ergebnisse gut vergleichen können. Das Ergebnis sind pädagogisch und didaktisch führende, interaktive digitale Lehrmittel, von denen 99,4% der deutschen  Schüler nur träumen können. Und die 0,6% der deutschen Schulen, die eine wirklich moderne technische Ausrüstung haben, müssen sich damit plagen, dass es dafür kaum geeignetes deutschsprachiges Lehrmaterial gibt – und dann behelfen sich die Lehrer mit Selbstgebasteltem.

Dieser Teufelskreis aus fehlender technischer Infrastruktur und semi-professionellen digitalen Lehrmitteln lässt sich im Grunde nur durch eine bessere, d.h. veränderte Finanzierung unseres Bildungswesens durchbrechen. Geld allein ist aber nicht alles – man sollte auch das holländische Konzept aus staatlich vorgegebenen Lehrinhalten und dem Wettbewerb um die besten Lehrmethoden übernehmen.

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